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DIE
SPINNE # 123 |
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gesehen
von Peter L. Opmann
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Mein Lieblingszeichner der Spinne war damals eindeutig Gil Kane, der Körper durch schräge Perspektiven
unnachahmlich dynamisch machen konnte. Es ist aber schwierig, diese Vorliebe im Rahmen dieser Serie abzubilden, denn ein von Kane gezeichnetes Lieblingsheft ist sehr schwer auszuwählen.
Zum einen finde ich den ursprünglichen Green-Lantern-Zeichner nicht mehr so überragend, vor allem nach all den mittelmäßigen, lustlos-routinierten Comics von ihm, die ich später noch gelesen habe (zum Beispiel seine „Jurassic-Park“-Adaption, die sogar in Fortsetzungen in „Bild“
nachgedruckt wurde), zum anderen gab es in der Kane-Phase irgendwie kein einzelnes, absolut überragendes Spinne-Heft. Ich habe mir alle noch mal genau angesehen.
Vielleicht werden Spinne-Kenner widersprechen: Was ist mit „The Night Gwen Stacy died“, der deutschen # 122 und amerikanischen # 121? Der Ausgabe, auf deren Cover die Spinne stammelt:
„Jemand, der mir nahesteht, wird sterben. Aber wer? Wer???“
Vielleicht gab es in meiner Stadt damals schon Spinne-Kenner, die frühzeitig entschlossen
zugriffen. Dieses Heft war jedenfalls das erste nach mehr als 50 Nummern, das ich verpaßt habe. Ich weiß noch, daß ich alle Kioske in der Nähe abklapperte, es aber nirgends finden konnte. Der Schock des Todes eines der Spinne nahestehenden Menschen kam daher für mich erst eine Ausgabe später. Spinne # 122 habe ich erst etliche Jahre danach gelesen.
Es gibt noch eine Besonderheit der Serie „Die Spinne“, die sich in
dieser Serie nur schwer abbilden läßt: Sie funktionierte wirklich
hervorragend als Soap-Opera. Die Einstellung aller übrigen
Marvel-Serien habe ich wohl bedauert, aber problemlos verkraftet.
Bei der Spinne war das anders (darauf komme ich nochmal zurück), und
auch das Schicksal der Figuren ging mir wirklich nahe. Als ich das
Heft aufschlug und die Spinne – ohne Vorwarnung – die tote Gwen
Stacy in den Armen hielt, hat sich wirklich mein Magen zusammengekrampft, als ob Gwen ein echter Mensch gewesen wäre. An diesem Schultag habe ich mich definitiv nicht gut gefühlt. Wahrscheinlich saß ich mit bleichem Gesicht in meiner Bank, und ich kann mich noch heute erinnern, wie ich mich damals gefühlt habe.
Ich möchte anmerken, daß ich zu dieser Zeit, abgesehen von einer Großmutter, die starb, als ich noch ziemlich klein war, noch nicht den Tod eines
wirklich nahestehenden Menschen zu verkraften gehabt hatte.
Zurück zum Heft. Auch diese Ausgabe war kein absoluter Meilenstein,
aber ich finde immerhin, daß es Kane und Autor Gerry Conway gelingt,
bei der Spinne die Balance zwischen Wut und Trauer einigermaßen
glaubwürdig zu halten. Der Grüne Kobold, der Gwen auf dem Gewissen hat, wird schließlich gestellt, und das Team schafft hier wiederum
halbwegs eine Balance: die Spinne muß sich am Kobold rächen, darf aber nicht töten.
Sie verprügelt ihn furchtbar, bevor er von seinem eigenen, beschädigten Jetbesen aufgespießt wird, während sich die Spinne, gewarnt vom Spinnensinn, eben noch wegducken kann. „Irgendwie dachte ich, es würde mir mehr bedeuten“, sagt die Spinne darauf, was verrät, daß sie irgendwie doch auf Blutrache aus war. Am Ende sieht man die hilflose Trauer von Peter Parker.
Zugleich beginnt genau hier die Liebesgeschichte mit Mary Jane Watson. Peter reagiert in seiner Wohnung bitter auf sie, die sich ja auch als vergnügungssüchtiges Girlie profiliert hat, und will sie rauswerfen. Sie aber geht nicht.
Gwens Tod war, wie ich später erfuhr, die Reaktion darauf, daß die
Figur ausgereizt war. Sie war engelsgleich – und damit langweilig. Wäre sie eine feste Beziehung mit Peter eingegangen, so wäre daraus nicht mehr herauszuholen
gewesen als ihre Angst vor und Abneigung gegen die Spinne. Wie eine gewisse britische Prinzessin war sie tot mehr wert als lebendig.
Mary Jane dagegen war ein Mädchen mit Licht und Schatten, ein
widersprüchlicher, interessanter und ausbaufähiger Charakter. Das
konnte ich als Teeny nicht durchschauen und wurde Opfer meiner
Identifikation mit Gwen.
Bei der in dieser Ausgabe startenden Thor-Episode wurden die Zeichnungen
Jack Kirbys von Bill Everett geinkt. Die beiden bildeten in späteren Ausgaben nach meinem Geschmack ein noch besseres Team, aber in manchen Panels blitzt auch hier die Klasse von Everett auf, wenn er Nebenfiguren individuelle Gesichter gibt.
Originell auch das Splashpanel, worauf Thor in einer All-American-Milchbar einen Milchshake trinkt und kommentiert: „Selbst ein
Donnergott kennt die Qualen des Durstes“. Worauf der Ladeninhaber beschließt, das Getränk künftig als „Asgard spezial“ zu verkaufen. Die Story „Und bald kommen die Zauberer“ habe ich jetzt nicht noch mal gelesen, die im
übrigen in der Mitte, wenn sie hier abbricht, erst so richtig zu starten scheint.
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Peter L. Opmann, 19.07.2007 |
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ARTIKEL
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