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DIE SPINNE # 137

 

gesehen von Peter L. Opmann

 

 
Ross Andru zählte nicht zu meinen Lieblingszeichnern: Am meisten störte mich, daß er dazu neigte, klobige Füße zu zeichnen. Und er verdrehte die Körperglieder von Superhelden eher so, daß es weh tat. Ich fand auch, daß er die Gesichter der Marvel-Helden nicht adäquat wiedergab, was ich heute nicht mehr erkennen kann. Da müßte man eher bei Gil Kane Bedenken anmelden, aber Kinder sind ja oft ungerecht. 
Andru kam von DC, ist dort möglicherweise für viel Geld abgeworben worden – was für Gil Kane auch gelten dürfte, aber in meinen Augen war er eher einer, der den Romita/Kane-Standard nur mühsam halten konnte.

Trotzdem war bis zu diesem Heft meine Spinne-Welt in Ordnung. Die Sprüche auf dem Splashpanel, „Mit Sicherheit die wichtigste Comicstory des Jahres“ und „Auf diese Story habt ihr gewartet!“, waren der gewohnte Marvel-Slang. Der melodramatische Lebensweg von Peter Parker lohnte von Ausgabe zu Ausgabe, weiterverfolgt zu werden. Es war irgendwie ein Teil meines Lebens.

„Der Grüne Kobold lebt wieder!“ steht in großen Lettern über dieser Comicstory. Es ist eine Geschichte, in der ein neuer Handlungsstrang vorbereitet wird. Beim Wiederlesen des Hefts habe ich den Eindruck, daß Autor Gerry Conway hier ziemlich geschickt Spannung aufbaut. Es beginnt mit einem völlig harmlosen Sommerspaziergang von Peter und Mary-Jane in Manhattan. Dann kommt der erste Paukenschlag: Als sie Peters Apartment betreten wollen, explodiert eine Bombe, und Mary-Jane wird schwer verletzt. Peter Parker hat zunächst mal keine Ahnung, wer dieses Attentat auf ihn verübt hat, aber ihm ist klar, daß es – trotz seiner Geheimidentität – gegen die Spinne gerichtet war.

Die Erinnerungen an den Mord an Gwen Stacy kommen wieder hoch. Peter kommt ein Verdacht: Der Grüne Kobold, der ihm das angetan hat, ist zwar tot (siehe oben), aber Norman Osbornes Sohn (und Peters guter Freund) Harry ist verschwunden. Die Spinne sucht das Versteck des Kobolds auf, wo jemand versucht hat, es lange verlassen erscheinen zu lassen, und wartet – ziemlich quälend lange. Dann endlich taucht der Kobold auf einer Doppel-Splashpage auf. Es ist so, wie vermutet: Harry ist nun, wie zuvor sein Vater, verrückt geworden.

Im Verlauf des Kampfes gelingt es dem Kobold, die Spinne mit Betäubungsgas außer Gefecht zu setzen. Er signalisiert, daß auch er die wahre Identität der Spinne kennt, und will sie mit Strahlen aus seinen Fingern hinrichten. Denen geht aber im richtigen Moment der Saft aus, und der Kobold sucht das Weite. Damit ist der Boden bereitet für viele neue Duelle zwischen Spinne und Kobold – aber erstmal nicht für die deutschen Leser.

Was mich damals wirklich geschockt hat, war die Schlußepisode. Ganz unten auf der 18. Seite steht: 
„Dies ist das Ende der Spinne! Die Spinne ist hiermit eingestellt; ihr haltet das letzte Heft in den Händen. Näheres ist auf der Leserbriefseite zu erfahren. Adieu, Marvelianer.“ 
Vor diesem Hintergrund bekommt das, was unmittelbar davor geschieht, eine ganz besondere Bedeutung. Peter taucht in der Redaktion des Daily Bugle auf, hat wieder mal Streit mit J. Jonah Jameson und wirft seinen Job hin. Als Sekretärin Betty Brant ihn mitfühlend nach seinen Problemen fragt, reagiert er äußerst pampig: „Vergiß es! Ich hab genug von Leuten, die sich in meine Angelegenheiten mischen! Von jetzt an macht Peter Parker es allein, und glaub mir, Betty, ich will es auch nicht anders.“ Dann verläßt er das Büro und auch die (deutsche) Spinnen-Welt.

Conway und Andru hatten nichts anderes im Sinn, als einen kleinen Konflikt zwischen Peter und Betty zu konstruieren, der später wieder eingerenkt werden muß. Wenn hier aber die Saga endet, dann heißt das, daß Peter wirklich alle Brücken hinter sich abbricht und im Nirgendwo verschwindet. Was für ein frustrierendes Ende! 
Allgemein mußte ich mich damals mühsam an den Gedanken gewöhnen, daß es nun keine weiteren SpinneAbenteuer mehr geben würde. Irgendwie hatte ich immer gedacht, daß es ewig weitergehen würde, mal mit tollen, mal mit mittelprächtigen Ausgaben. Dies war eine meiner ersten Erfahrungen, daß alle Dinge im Leben letztlich enden. Eigenartig war die knappe redaktionelle Mitteilung zur Einstellung der Spinne. Da wurde noch mal versucht, persönliche Worte zu finden („Seid nicht traurig, Fans!“), aber es gab im Gegensatz zu früheren Gelegenheiten kein Wort zu den Gründen der Einstellung und nur ein paar merkwürdige Andeutungen, daß es weitergehen könnte (was ja dann nicht passierte). 
Auf dem Backcover wird für Horror # 82 geworben, eine Serie, die tatsächlich noch eine ganze Weile weiterlief. Aber von der Redaktion dazu kein Wort, geschweige denn von einem weiteren Verlagsprodukt, das insgesamt den größten Erfolg gehabt haben dürfte: MAD. Stattdessen ein abruptes Ende, das mich nochmal ähnlich mitnahm wie der Tod von Gwen…

Wie ein Junkie auf Methadon habe ich mir danach eine Zeitlang die Condor-Marvels gekauft, obwohl damit nicht an die Williams-Ära angeschlossen wurde. Stattdessen stand die Veröffentlichungspraxis dem HIT-Comics-Chaos kaum nach. Mir gefiel ohnehin der ganze redaktionelle Stil im Hause Biehler nicht. Aber erst beim Condor-Spinne-Magazin # 104 habe ich daraus endgültig Konsequenzen gezogen.
  
  
Peter L. Opmann, 19.07.2007
 
 
 

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