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Eine Beweisführung von Stefan Schlüter und Gernot Zipperling

 
Vermutlich dürfte der Januar 1973 der hartnäckigste Irrtum in der BSV-Forschung J sein - der Monat in dem, folgt man den wenigen Informationsquellen, die es bis dato zu diesem Thema gab, die beiden letzten Superhelden-Hefte (Spinne #254 und Fantastische Vier #252) im Bildschriftenverlag (der zu diesem Zeitpunkt intern längst zum Williams Verlag geworden war) erschienen sein sollen.
Gut möglich, daß die von Daniel Wamsler (Herausgeber des BSV/Williams-Fanzines "Das sagte Nuff!") angestellte Vermutung, Peter Skodzik (Buchautor und unter anderem einer der langjährigen Herausgeber des Comic Preiskatalogs) sei schlicht ein Zahlendreher beim Jahreswechsel ´73/74 unterlaufen, die Ursache für diese Fehlannahme ist. 
Denn zwei Punkte sind heute klar: Erstens wurde der Januar 1973 solange immer und immer wieder kolportiert, bis er schließlich zum "allgemein" gültigen Wissen wurde. Und zweitens, daß der Januar 1973 schlicht und ergreifend falsch sein muß...

Es gibt verschiedene Überlegungen, warum dieses Datum nicht stimmen kann und um es vorweg zu nehmen: 
Es gibt keinen Zweifel daran, daß die oben genannten, letzten beiden BSV-Hefte im Dezember 1973 (Erstveröffentlichungstag [EVT]) veröffentlicht wurden. 
Bekanntlich erfolgte der Williams-Neustart (und zeitgleich auch die Umstellung auf Phasenvertrieb, dessen Auslieferung die heute noch tätige Verlagsunion übernahm) im Januar 1974 und ein fließender Übergang von BSV- zu Williams-Heften wäre allein schon aus kaufmännischen Gesichtspunkten nur sinnvoll gewesen.
Zudem gibt es belegbare Aussagen von (norddeutschen) Sammlern, die sich im Januar 1974 verwundert die Augen rieben, als sie an "ihrem" Kiosk neben den (möglicherweise verspätet ausgelieferten(1)) BSV-Ausgaben parallel die wundersamen, neuen Williams-Ausgaben vorfanden...
 
 

DIE VORBEREITUNG AUF DEN PHASENVERTRIEB

 
Die Vorbereitungen für die Umstellung auf Phasenvertrieb begannen allerdings schon weit früher, sogar noch bevor Klaus Recht die Verlagsleitung übernahm: So findet sich zum Beispiel in den Heften vom Januar 1973 zahlreicher BSV-Serien ein Preisausschreiben(2), in dem unter anderem auch gefragt wurde, in welchem der damals elf Bundesländer die Leser wohnten - was letztlich auch als Abgleich mit den Nielsen-Phasenvertriebsgebieten diente. 

Man wollte bei BSV also klären, ob der bis dato in Eigenregie geführte Direktvertrieb für den Verlag (noch) sinnvoll war. Tatsächlich wurde in einem ersten Schritt der Direktvertrieb auch bereits im April 1973 aufgegeben und an die wenige Jahre zuvor gegründete Verlagsunion übertragen; erst im zweiten Schritt erfolgte dann 1974 die Umstellung auf Phasenauslieferung.
Konkret darf man wohl davon ausgehen, daß die darauf spezialisierte Verlagsunion den Vertrieb schlicht deutlich kostengünstiger anbieten konnte, als dies mit dem BSV-typischen Eigenvertriebsmodell je möglich gewesen war. 

Ein weiterer Pluspunkt pro Verlagsunion war die bessere Auflagen-Verwertung durch Ganzstückremission (3) (ins Phasengebiet I ausgelieferte aber nicht verkaufte Exemplare wurden in der Kette Händler an Zeitungs-Großhändler an die Verlagsunion zurückgegeben und nach Prüfung ins nachfolgende Phasengebiet II ausgeliefert etc.), was eine bessere Ausnutzung bei gleichzeitig niedrigerer Druckauflage versprach. 

Daß dieses System nicht gänzlich unproblematisch ist, sieht man an diesem Negativ-Beispiel zur Ganzstückremission. Denn zur weiteren Verwendung als Neuware müssen sich die Rückläufer ja in entsprechendem Zustand befinden. Vermutlich wurde ein gewisser Teil der Rückläufer vom Großhändler gar nicht erst an die von ihm belieferten Verkaufsstellen ausgeliefert und original (also im Zustand wie beim Großhändler angeliefert) an die Verlagsunion zurückgegeben. 
Die übrigen Rückläufer waren dann tatsächliche Rückgaben der Verkaufsstellen, mit sicherlich erhöhter Ausschußquote. Denn schon allein die Auslage am Kiosk ("Anfassen" durch die jugendliche Kundschaft inklusive), nicht zureden vom vorherigen Aus- und anschließenden Einpacken, hatte ohne Zweifel Spuren an den Heften hinterlassen. Sofern solche Remittenten als Neuware nicht mehr verkaufbar waren, konnten sie eventuell aber auch für die Superbände weiterverwendet werden, zumal die darin enthaltenen Hefte an den Rändern beschnitten werden konnten (und zum Teil aufgrund der unterschiedlichen Abmessungen der Hefte auch mußten). 

Der Wechsel auf Phasenauslieferung brachte für Williams jedoch auch einen unvermeidbaren Nachteil mit sich, denn irgendwann mußte man einen "Nullpunkt" setzen und die Belieferung von Teilen der Bundes-
republik vorrübergehend aussetzen. Beim Neustart der Marvel Comics kam es also zu Ausfallzeiten, sprich, es gab Monate ohne Präsenz an den Kiosken in den betroffenen Gebieten.  

Kein Problem stellte das natürlich im Phasengebiet Nielsen I (das Gebiet Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen plus Nordrhein-Westfalen) dar, da dort die Umstellung von den BSV- zu den Williams-Heften übergangslos erfolgte, im Dezember 1973 (EVT) die letzten beiden BSV- und im Januar 1974 die neuen Williams-Hefte an die Kioske ausgeliefert wurden.
In den übrigen Nielsen-Gebieten erfolgte die Auslieferung allerdings entsprechend später, so daß es hier zu - je nach Gebiet unterschiedlich langen - Ausfallzeiten
ohne Marvel-Comics gekommen sein muß. Aktuell gehen wir davon aus, daß die Belieferung der Phasengebiete II und III nach 3 bzw. 6 Monaten erfolgte; in Bayern dauerte es also 6 Monate bis die ersten Williams-Hefte am Kiosk auslagen, im Anhängsel West-Berlin möglicherweise sogar noch länger.
Die Dreimonatszyklen entsprechen auch der Williams-typischen, dreimonatigen Produktionsplanung, daß heißt, der Verlag erhielt danach auch jeweils konkrete Abrechnungen über die tatsächlich verkauften Stückzahlen in den bereits abgerechneten Phasengebieten. 

Ein früherer Zeitpunkt als Januar 1974 für die Umstellung scheint auch allein deswegen schon wenig sinnvoll, da man ja ohnehin einen Neustart (und damit einen inhaltlichen Bruch) plante; warum dann nicht zu diesem Zeitpunkt die Umstellung vornehmen? Wolfgang J. Fuchs konnte mir bestätigen, daß es - soweit er sich erinnern kann - in Süddeutschland keine Unterbrechung bei den BSV-Veröffentlichungen gab, was eine zeitgleiche Umstellung auf Phasenauslieferung mit dem Williams-Neustart bestätigt.
 
 

 JANUAR 1973 - SINN ODER UNSINN?

 
Der profanste Grund warum die BSV-Veröffentlichungen erst im Dezember 1973 endeten, lautet: warum eigentlich sollte bereits im Januar 1973 Schluß gewesen sein?

Warum sollte BSV/Williams beinahe ein Jahr lang Lizenzgebühren bezahlen, gleichzeitig aber keine
Marvel Hefte veröffentlichen, und am Markt demnach überhaupt nicht präsent sein? Aus wirtschaftlicher Sicht macht dies schlicht keinen Sinn - warum sollte man auf diese Einnahmequelle verzichten, die Leser/Fans unnötig frustrieren und zudem die generelle Bindung der Leser zum Marvel Universum riskieren? 
Ein Fan, zumal ein jugendlicher, der ein Jahr lang kein neues Material bekommt, liest danach möglicherweise andere oder auch gar keine Comics mehr. Da stellte schon die durch den Wechsel auf Phasenvertrieb unumgängliche Lücke ein Risiko dar.

Genauso abwegig ist das Argument, man hätte die Zeit zur Vorbereitung des Neustarts benötigt. Damit
könnte man einen Zeitraum von einigen Monaten erklären, aber sicher kein ganzes Jahr. Eine solche Vorbereitung muß, allein schon aus wirtschaftlichen Gründen, parallel zum laufenden Geschäftsbetrieb erfolgen.

Aber die Übernahme durch Warner/Williams und die damit verbundene Neuorientierung hinterlies durchaus Spuren. Nicht nur übernahm im Frühjahr ´73 Klaus Recht als Nachfolger des vorigen Geschäftsführers Erwin Heimberger die Regie bei BSV, auch in den Monaten davor blieb kaum ein Stein auf dem anderen - alles kam auf den Prüfstand und verschiedene Serien (zum Beispiel Sheriff Klassiker) wurden mit der Ausgabe vom Januar 1973 tatsächlich (endgültig) eingestellt. 
Tatschächlich  führte dieser Umbruch auch wirklich zu einer Ausfallzeit (nicht nur bei den HIT Comics), allerdings nur zu 1(4) (Fox & Flax und Horror) bzw. 2 Ausfallmonaten (alle übrigen BSV-Serien (5)), konkret: im Februar und März 1973 erschienen keine HIT Comics.

In dieser Phase scherte BSV also vorrübergehend aus dem europäischen Druckverband aus, und so erklärt sich, daß Hefte in den Niederlanden erschienen, die in Deutschland ausgelassen wurden:
Am deutlichsten wird diese Lücke beim Sprung von HIT Spinne #243 auf #246 (
#244/245 sind nicht erschienen; sie hätten Amazing Spider-Man (ASM) #108/109 enthalten). 
Hingegen scheint es auf den ersten Blick bei HIT Fantastische Vier keine ausgelassenen Hefte zu geben, da es hier keine Lücke in der Zählung gibt. Tatsächlich gibt es sie sehr wohl, im Vergleich zu den holländischen Ausgaben wurden zwischen HIT FV #243 und #244 ebenfalls zwei Storys (nämlich Fantastic Four (FF)
#118/119) ausgelassen, die Lücke wurde also nur ein wenig besser kaschiert.

Eine weitere Bestätigung für diese Lücke findet sich auch in der verlags-internen Zählung der Serien, ge-
nauer gesagt im jeweiligen Impressum der Hefte. Nimmt man zum Beispiel die letzte Ausgabe der Fantas-
tischen Vier (HIT Comics FV #252) zur Hand, so weist die verlags-interne Zählung das Heft als 75.
 FV-Ausgabe aus (was der in Holland veröffentlichten Gesamtanzahl an Heften entspricht). Tatsächlich erschienen bei BSV seit 1966 insgesamt aber nur 72 FV-Hefte. 
2 der Fehlnummern bei den Fantastischen Vier erklären sich durch die beiden Ausfallmonate Anfang 1973, die dritte Fehlnummer gab es bereits im Jahr davor, denn schon im Januar 1972 waren die Marveltitel bei BSV entfallen (somit fehlt je eine dritte in Holland veröffentlichte Story von Spinne [es fehlt ASM
#94] und Fantastischen Vier [es fehlt FF #102]).

Allein die Tatsache, daß die holländischen Schwester-Titel eben in 1973 erschienen (vgl. HIT Comics Chronologie), ist ein Indizien-Beweis dafür, daß es kein Ausfalljahr in Deutschland gab.

 
  

DER LOGO-BEWEIS

 
Der endgültige "Beweis" ergibt sich aus dem Austausch des BSV- gegen das Williams-Logo (ein Quadrat mit dem Namen Williams unterhalb eines großen "W") auf dem Cover. Nach der beschriebenen Neuausrichtung des Verlags erhielten im April 1973 alle Serien das neue, eckige Williams-Logo, bis es dann im Oktober 1973 gegen das typische Warner-W im Signet der jeweiligen Hefte ausgetauscht wurde.

Zum Vergleich dienen hier die Veröffentlichungsmonate der noch bei BSV gestarteten Horror-Serie. Aus-
gangspunkt ist dafür die Horror-Preisliste des Williams-Verlags für 1974, wonach Horror
#17 einen offiziellen Erstverkaufstag 21.1.1974 hatte und sich daraus rückwirkend die Veröffentlichungsmonate der einzelnen Hefte ableiten lassen:. 
 

Horror #1 (09/1972)
Horror #2 (10/1972)
Horror #3 (11/1972)
Horror #4 (12/1972)
Horror #5 (01/1973)
Horror #6 (02/1973)

Ausfallmonat (03/1973)(4)
 Horror
#7 mitgezählt, aber nicht veröffentlicht.
Zum Vergleich das holländische Shock Classics #7.

Horror #8 (04/1973)(6)
...
Horror #17 (01/1974)


Wie man anhand der Cover erkennt, haben die ersten 6 der im August 1972 gestarteten Horror-Serie noch das alte BSV-Logo, während sich das neue Williams-Logo erstmals auf Horror
#8 findet. 

Aufgrund der Angabe in der Horror-Preisliste errechnet sich als Veröffentlichungsmonat für Horror
#8 April 1973; da gleichzeitig davon auszugehen ist, daß alle Serien zeitgleich auf das Williams-Logo umgestellt wurden, müssen HIT Spinne #246 und HIT FV #244 somit im April 1973 erschienen sein - und rechnet man das auf die letzten Heftnummern (HIT Spinne #254 und HIT FV #252) hoch, erhält man als Erscheinungsmonat für die letzten beiden HIT Comics den.... Dezember 1973.

15.02.04 & 21.09.08
 

 

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(1) HIT Spinne #254 hatte einen offiziellen Erstverkaufstag (EVT) Montag, 31.12.1973 (Sylvester!). Die ersten 3 Williams Marvel Hefte (Rächer #1, Hulk #1, Frankenstein #1) folgten bereits 1 Woche später: 
EVT Montag, 7.1.1974. Es ist also alles andere als verwunderlich, daß das BSV-Heft gleichzeitig mit den Williams-Ausgaben am Kiosk auslag.

(2) Das Preisausschreiben findet sich in folgenden BSV-Publikationen. Sofern die Serien 2x monatlich ver-
öffentlicht wurden, ist das Preisausschreiben in beiden Ausgaben vorhanden:

Marvel-Titel:
Die Spinne #243, FV #243, Der Dämon #4, X-Menschen #220, 

Nicht Marvel-Titel:
Sheriff Klassiker #211/212, Schwarzer Falke #121, Blitzmann #121, Korak #57, Tarzan #128/129, 
Dick & Doof
#129/130, Kalle #19, Pelefant #168, RinTinTin #4, Mein Pferd #2, Fox und Flax #14 und Horror #5.

(3)
Bei der körperlichen Remission übergibt der Händler nach der Angebotszeit seinen Lieferanten Kopf-
leisten, Titelseiten oder ganze Stücke der unverkauften Exemplare. Bei ganzen Stücken spricht man von Ganzstückremission. 

(4) Es kam bei den meisten BSV-Serien zu 2 Ausfallmonaten, Ausnahmen sind u. a. die beiden Serien 
Fox und Flax und Horror: 
da Horror
#5 im Januar 1973 erschienen ist (dies ist gesichert durch das enthaltene Preisausschreiben), muß Horror #6 (BSV-Logo) im Februar 1973 erschienen sein. Die Fehlnummer Horror #7 wäre im folgenden Monat März 1973 erschienen; Horror #8 (Williams-Logo) wurde im April 1973 veröffentlicht. 

Ähnlich verhält es sich bei Fox und Flax: 
Heft
#14 (Preisausschreiben) erschien im Januar 1973, Heft #15 (europäisches Heft E35) im Februar 1973 mit BSV-Logo, die Ausgabe März 1973 entfällt (In Europa wurden in diesem Zeitraum sogar 2 Ausgaben veröffent licht: E36 & E37. Daß 2 europäische Ausgaben entfielen, bedeutet nicht, daß auch 2 Fehlmonate entstanden.) und Heft #15 (E38) erschien im April 1973 (mit Williams-Logo).

Neben Dick & Doof wurden Fox & Flax und Horror zu dieser Phase in Frankreich gedruckt (ab April 1973 in Italien, Dick & Doof in Schweden). Es ist davon auszugehen, daß die Hefte nur deshalb im Februar 1973 veröffentlicht wurden, da sie bereits gedruckt gewesen sind.

(5) Weitere Beispiele: 
Bei Tarzan (erschien 2x monatlich) entfielen zwischen den letzten BSV-Ausgaben
#128/129 (europäische Nummern E130/131) im Januar 1973 und den ersten Williams-Heften #130/131 (E136/137) im April 1973 
4 Storys: die europäischen Tarzan-Nummern
#E132-135 fehlen in Deutschland; 
Bei Dick & Doof (ebenfalls 2x monatlich) erschienen die letzten BSV-Ausgaben
#129/130 (europäische Nummern E131/132) im Januar 1973, hingegen wurden die geplanten Februar-Hefte #131/132 (E133/134) ausgelassen. 
Da gleichzeitig (vorrübergehend) europaweit auf monatliche Veröffentlichung umgestellt wurde, gibt es 2 Fehlmonate (Februar und März 1973), obwohl nur 2 europäische Nummern (E133/134) ausgelassen wurden: Im April 1973 erschienen als erste Hefte der Serie mit Williams-Logo Dick & Doof
#133/134 (E135/136).

(6) Auch die Impressen helfen bei der Bestimmung des Erscheinungsmonates von Horror #8 ist.
 

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 ARTIKEL  © 2008 STEFAN SCHLÜTER & GERNOT ZIPPERLING