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Ein
Überblick von Stefan Schlüter und Gernot Zipperling
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SILVER
AGE COMICS IN DEUTSCHLAND - DER WILLIAMS-VERLAG
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Im Januar 1974 begann der Williams
Verlag
mit der Veröffentlichung seiner ersten fünf Marvel Superhelden-Serien:
Die Spinne,
Die Fantastischen Vier,
Der Mächtige Thor,
Die Ruhmreichen Rächer
(Rezensionen)
und
Der Gewaltige Hulk;
ergänzt wurde das Programm durch zwei weitere Marvel-Titel aus
dem in diesen Jahren äußerst populären Horror-Genre:
Die Gruft von Graf Dracula (Kurzrezension)
und
Das Monster von Frankenstein
(Kurzrezension).
Während Spinne,
Fantastische Vier und (ab Januar 1976) Rächer 2x pro Monat erschienen (bzw. ab 1976 14tägig, wodurch
dann 26 Ausgaben pro Jahr
veröffentlicht wurden), wurden die übrigen Titel nur 1x
monatlich an die Kioske ausgeliefert.
Fast alle Haupt- und Zweitserien beginnen dabei mit der jeweiligen
"Origin-Story" der US-Vorlagen (lediglich Thor
#1 enthält die "erweiterte" Origin-Story aus
Mighty Thor #158
und bei Captain Marvel fehlen die beiden
vorhergehenden Storys aus
Marvel Super-Heroes #12/13) und wurden
chronologisch und (zumeist) mit nur wenigen Lücken veröffentlicht - Details zu den
Aus-
lassungen finden sich im
Marvel-Bibel
Artikel.
Im Oktober 1975 schließlich erweiterte der Verlag sein
Programm um drei weitere Marvel-Serien:
Doktor Strange Der Magier,
Der Eiserne
und
Planet der Affen
(im Magazin-Format; Kurzrezension); und im Februar 1976 startete man mit
der Taschenbuch-Reihe
Die tödlichen Hände des Kung Fu
(Kurzrezension) - in seiner
Blütezeit bestand das
Marvel-Programm
also aus zehn Heftserien und einer Taschenbuch-Reihe -
ein ebenso beachtliches wie ehrgeiziges Programm.
Hinzu kam, daß die deutschen Marvel Comics - im Gegensatz zu den
US-Serien - mit fixen Zweitserien "ergänzt" wurden,
somit konnten die Leser die Abenteuer von weiteren 7 Helden bzw.
Teams verfolgen. Da die Zweitstorys letztlich Füllmaterial waren,
erstreckten sie sich, bedingt durch das 36-Seiten-Format der Hefte (ab
Juni 1974 32 Seiten), zumeist über mehrere Ausgaben; ein Manko,
das dem Lesespaß nicht umbedingt zuträglich ist.
Leider sollte die Expansion nur von kurzfristiger Natur sein, und mehr
noch, bereits ein Jahr später wurden beim großen
Ser- iensterben im
September/Oktober
1976 nicht nur die neuen Serien, sondern alle Serien außer den
"großen Drei" Spinne, Fantastische Vier und Rächer eingestellt;
ohne Zweifel hatte also der Verkaufserfolg an den Kiosken nicht die
Erwartungen
des Williams-Verlegers Klaus Recht erfüllt...
Ein kurzes Aufleben gab es nochmals 1978/79 mit den Comic-Serien zu
Krieg der Sterne
(Kurzrezension) und
(den beiden)
Marvel Sonderausgaben
(Kurzrezension), aber im
November 1978 stellte Williams zunächst
die Fantastischen Vier und
Rächer
ein, im Mai 1979 schließlich - mit Auslaufen des mit Marvel USA
geschlossenen Vertrags - auch den letzten verbliebenen Titel
Die Spinne...
Auflistung aller Williams Marvel-Serien bzw. Serien-Helden
(Mouse-Over
Funktion über dem Titelheld zeigt Heftanzahl und
Erscheinungszeitraum an.)
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VOR WILLIAMS - DER BILDSCHRIFTENVERLAG
(BSV)
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Allerdings waren die
Williams-Hefte nicht die ersten Marvel (Superhelden-)Comics, die
in Deutschland erschienen: bereits ab September 1966
hatte der Bildschriftenverlag
(kurz BSV) die ersten Marvel Superhelden-Abenteuer
in seiner Reihe HIT
Comics veröffentlicht. Die in den ersten Jahren
schwarz-weißen HIT Comics waren eine "Ein-Heft-Sammelserie",
in der die Marvel Helden abwechselnd präsentiert wurden, erst
in den letzten Veröf-
fentlichungsjahren gab es eigene Heftserien für die jeweiligen Helden.
Während zunächst nur Abenteuer von Spinne
und Fantastischen Vier veröffentlicht wurden, kamen später
auch weitere Charaktere wie Rächer,
X-Männer (X-Men), Halk (Hulk) und Devil-Man (Dare-
devil)
als Titelhelden hinzu.
Entstammten die Zweitgeschichten in den ersten sechs Ausgaben noch ausschließlich den Genres
Horror und Western, wurden die nachfolgenden Hefte auch
mit den Abenteuern anderer Marvel
Charaktere ergänzt, und deren Storys
dabei wie später bei Williams auf mehrere Hefte aufgeteilt.
Für diese "Zweithelden" bediente man sich zumeist aus den
US-Serien Tales of Suspense (Iron Man, Captain America(2))
und Tales to Astonish (Hulk, Sub-Mariner); später brachten es
die meisten Zweithelden auch selbst zum Titelhelden und viele in den letzten
BSV-Jahren auch zu eigenen (wenn auch meist nur kurzlebigen)
Heftreihen - Details dazu finden sich in Wolfgang J. Fuchs´
Artikel "Die fünf Phasen der
HIT-Comics" und in der
HIT
Chronologie.
Anders als später Williams begann man bei BSV aber nicht nicht mit der jeweiligen
"Origin-Story",
was, neben der sehr chaot-
ischen Veröffentlichungsweise (die
US-Story-Reihenfolge wurde häufig nicht eingehalten), zum Teil
abenteuerlichen Übersetz-
ungen und maschinengeschriebenen Texten (bei
denen vorhandene Platz in den Textblasen oftmals geflissentlich
ignoriert wurde) nicht nur den Lesegenuß trübt(e) sondern auch für
viel Verwirrung bei den Lesern sorgte.
Auflistung
der Titelhelden der Sammelreihe HIT Comics
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BSV nahm im Laufe der Jahre
mehrfach Änderungen am Format und Aufmachung/Umfang der Hefte vor:
hatten die schwarz-
weißen HIT Comics zu Beginn
(28 Seiten Umfang,Heftpreis 50 Pfennig)
jeweils
1 Superhelden-Story
sowie 1
Science Fiction/Horror- oder Superhelden-Füll-Story zum Inhalt,
enthielten die Hefte später jeweils 2 Superhelden-Story einer
US-
Serie
plus Füllstorys.
Und mit Umstellung auf Einzelserien Ende 1970 wurde schließlich das Farbzeitalter
(12/1970) für BSVs Marvel Comics
einge-
läutet.
Die HIT-Comics erschienen
dabei in einer Form des Direktvertriebes, denn BSV
leistete sich gar eigene Vertreter mit eigenem Fuhrpark (die
sogenannten
Bullys), die das
umfangreiche und beileibe nicht nur auf Comics beschränkte
Verlagsprogramm an die Kioske und "Tante-Emma-Läden" auslieferten (den besten
"illustrierten" Überblick im Internet über die zahlreichen
BSV-Publi-
kationen bietet das
Bildschriften
Archiv).
Das BSV-Vertriebssystem sah dabei keine Rücknahme nichtverkaufter
Exemplare vor, mitunter wurden daher von den Vertretern vor Ort auch
handschriftliche Preis-Korrekturen auf den Heften vorgenommen -
alles Verkaufen lautete die Devise. Derartige Preis-Korrekturen
müssen also nicht zwangsläufig von irgendwelchen "Flohmarkt-Verkäufern" stammen, sie
können
sozusagen
"verlags-autorisiert" sein.
Es ist außerdem davon auszugehen, daß BSVs Direktvertriebssystem
mit verschiedenen Phasengebieten gearbeitet hat, vom Prin-
zip her
vergleichbar mit dem späteren Phasenvertriebssystem der Verlagsunion, über den der Williams Verlag seine
Comics ver-
trieb. Ein derartiges Phasensystem würde erklären, warum aus niedrigeren Nummernbereichen
"90 Pfennig Hefte"
existieren, die einen
1 DM Preisaufkleber haben, obwohl die Preiserhöhung auf 1 DM
eigentlich erstmals
mit
HIT Comics #108
in Kraft trat.
Die Erklärung: da die Auflage nicht bundesweit
gleichzeitig ausgeliefert wurde, konnte für nachfolgende
Auslieferungsgebiete bei diesen Heften der Preis noch auf 1 DM angehoben
werden - und dazu wurden einfach im BSV-eigenen Zentrallager besagte
Aufkleber auf die Hefte geklebt.
Ein vielleicht nicht unwichtiger Hinweis für alle
Varianten-Sammler an dieser Stelle:
Es existieren Hefte mit deutlich unterschiedlichen
Preisaufklebern, zum Beispiel
HIT Rächer #213
mit DM 1,50 Aufkleber. Schon das Format des Aufklebers
läßt vermuten, daß dieses
Heft wohl nicht von BSV selbst umbepreist wurde, denn einen Heftpreis von DM 1,50 erreichte man zum Beispiel bei Williams erst zur 38.
Produktion (02/1977).
Als Einzelheft sicher eine (bedingt)
sammelwürdige Variante, zur Ergänzung der Sammlung als
interessante Kuriosität. Die auf-
gedruckten Währungen decken die wichtigsten
(damaligen) Urlaubsländer der Deutschen ab, so daß solche Hefte
möglicherweise,
ähnlich wie die Marvel-Superbände, vor allem in
deutsche Urlaubsregionen geliefert wurden.
Daß sich BSV mit seinem Auslieferungssystem bei den umgangenen
Grossisten nicht sehr beliebt machte, verwundert nicht, leider war
deshalb aber auch die Verfügbarkeit der Serien regional sehr
unterschiedlich. Im (mutmaßlichen) BSV-Schwerpunktgebiet
Nordrhein-Westfalen/Niedersachsen/Rheinland-Pfalz/Hessen (der BSV hatte seinen
Verlagssitz lange Jahre in Alsdorf bei Aachen) muß die
Verfügbarkeit am besten gewesen sein, am anderen Ende der
(damaligen) Republik in Bayern oder gar in Öster-
reich und der
Schweiz dafür um so schlechter.
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In der Folge zur Erhöhung der
Monatsproduktion auf 4 Hefte (01/1968) wurde zudem das Format der Hefte geändert: ab
HIT Comics #60
(08/1968, 52 Seiten Umfang bei einem Heftpreis von 90 Pfennig) finden sich jeweils 2
Superhelden-Geschichten einer US-Serie plus Füllstorys in den
Heften. Von nun an erschienen in jedem Monat
ein Heft von
Spinne und Fantastischen Vier sowie zwei Hefte anderer Helden,
womit 4 Geschichten von Spinne und Fantastischen Vier in
jeweils 2 Monaten veröffentlicht wurden. Da BSV in dieser Phase
sehr aktuelles US-Material veröffentlichte, geriet man bei den
beiden "Zugpferden" in Materialnot, schließlich erschien in den USA nur
1 Heft und damit auch nur 1 Story pro Monat.
BSV löste dieses Problem, indem ab
HIT Comics #84
(02/1969)
jeweils eine aktuelle und eine ältere (zuvor ausgelassene) Story von
Spinne und Fantastischen Vier veröffentlicht wurden. So
kamen die Leser zwar
endlich in den Genuß die "Anfänge" dieser beiden Serien lesen
zu können (Amazing Spider-Man #1 in
HIT Comics #96
und Fantastic Four #1 in
HIT Comics #129), freilich behielt BSV
seine völlig chaotische Veröffentlichungsweise bei und auch der/die
unterschiedliche Zeichenstil/Qualität der Zeichnungen innerhalb eines Heftes trübt(e)
mitunter den Lesegenuß.
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Mit
HIT Comics #153
(09/1970) stellte BSV
schließlich die schwarz-weiße "Ein-Heft-Sammelserie" ein
und begann damit - auf Basis einer komplett neuen Nummerierung - fortlaufende Serien der einzelnen Helden/Teams zu
veröffentlichen.
Doch da BSV es gerne etwas komplizierter machte, wurden die neuen
Serien nicht einfach mit der Nummer Eins begonnen,
son-
dern man
dachte sich eine komplexe Nummerierung basierend auf der Anzahl der
bis dato erschienenen Ausgaben aus, wobei alle Serien-Nummerierungen eine 2 (sozusagen für 2. Serie) voran
gestellt bekamen (Beispiele: Die Fantastischen Vier #223, Die
Rächer #211
etc.) - im Vor- Internet-Zeitalter wurde den Lesern somit
eine Kopfnuß gleich mitgeliefert, denn wer sollte ihnen
eigentlich dieses System erklären...
Für
vier Hefte
(10-11/1970) wurde das alte
52-Seiten-S/W-Format bei den 2xxer-Heften noch beibehalten, danach
wechselte BSV zum letzten Mal das Heft-Format: der Seitenumfang
wurde auf 36 Seiten reduziert, aber dafür gab es (endlich)
Vierfarb-Druck; dabei kosteten die nun farbigen Hefte
anfänglich
aber weiterhin 1 DM.
Alles in allem ist das der Umstellung zugrunde liegende System
reichlich verwirrend, wenngleich es auch nicht jeder Logik entbehrt - ich verweise daher
einmal mehr auf den exzellenten Artikel
Die
fünf Phasen der HIT-Comics, der Licht in die komplexe BSV-Logik bringt.
Bei seinen Veröffentlichungen handelte der Bildschriftenverlag
dabei nicht allein, sondern er gehörte einem europäischen Druck-
verbund an, wodurch sich die Produktionskosten der
teilnehmenden Verlage reduzierten. An dieser Stelle ist vor allem
Holland zu nennen, deren Pendants zu unseren HIT Comics - die HIP
Comics - wahrlich eine Schwesterserie darstell(t)en (vgl. auch
die
holländischen
Ausgaben
HIP Comics #153
bis
HIP Comics #169,
zu denen - allerdings nur bezogen auf die Nummerierung - keine
deutschen Hefte veröffentlicht wurden).
1972/73 sollte schließlich den Anfang vom Ende des Bildschriftenverlags
einläuten. Zu diesem Zeitpunkt gehörte BSV (wie auch der bereits
existierende Williams-Verlag) zum US-Multi-Market-Konzern Kinney
Services Inc., New York (damals der Mutter-
konzern von Warner Communications Inc.) und im Zuge Übernahme der Verlagsleitung
(im
Frühjahr 1973) durch den neuen Verleger und späteren
Williams-Inhaber Klaus Recht wurde das gesamte
Verlags-Programm radikal gestrafft und von den Marvel-
Titeln zuletzt nur noch die beiden Serien HIT Spinne
und HIT Fantastische Vier veröffentlicht.
Doch das Ende von BSV stellte gleichzeitig den Neu-Beginn des
Williams-Verlages dar, denn die beiden zum
Kinney-Konzern gehörenden Verlage sollten miteinander
verschmolzen werden und schließlich im "neuen"
Williams-Verlag aufgehen.
Optisch machte sich dieser Verlags-Umbau ab April 1973
bemerkbar - denn ab diesem Monat zierte statt des
BSV-Logos
das neue
Williams-Logo
das Cover (zeitgleich wurde die letzte Preiserhöhung auf 1,20 DM
vorgenommen) und in den Impressen findet sich die eindeutige
Williams-Referenz "Williams-Verlag
GmbH". Daß der Verlagsname sich im September 1973
erneut änderte, in die etwas eigenartig anmutende Konstruktion Bildschriftenverlag,
Abt. Williams Germany, dürfte rein rechtliche Gründe ge-
habt haben.
Geradezu unübersehbar ist der Wechsel bei
den jeweils drei letzten BSV-Heften von
Spinne und Fantastischen Vier, die unter dem
neuen Signet
Superhelden
erschienen - die Ähnlichkeit der Aufmachung zu den nachfolgenden
Williams-Covern ist offen-
sichtlich.
Dabei muß der Wechsel zum neuen Layout sehr spät erfolgt sein, denn gemäß
Vorankündigung in HIT FV #251
war
FV #252
zunächst noch im alten Design geplant
gewesen. Da FV
#252 ohnehin als Schlußnummer vorgesehen war, ist
davon auszugehen, daß ursprünglich alle 6 letzten Ausgaben von
FV und Spinne mit dem alten Design hätten produziert werden
sollen.
Vergleicht man den Cover-Entwurf und das dann produzierte Cover
von FV
#252, so fällt vor allem der "überflüssige"
rote Kas-
ten unterhalb des Signets auf, der ein nicht retuschiertes
Überbleibsel des ursprünglichen Layouts ist - keine sehr
professionelle Arbeit (lediglich bei
HIT Spinne #252
hatte man
sich hier mehr Mühe gegeben). Die kurzfristige Umstellung ist
wohl vor allem
als Design-Test zu werten, bei dem die Qualität
der Ausführung selbst nicht ganz so wichtig genommen wurde - das
neue Layout wurde dann ja auch mit nur geringen Änderungen für die
Williams-Serien übernommen.
Die letzten beiden BSV-Hefte erschienen schließlich im
Dezember 1973 - und im Januar 1974
begann der revitalisierte Williams-Verlag voller
Schwung
und neuem Elan mit der Veröffentlichung "seiner" Marvel-Serien...
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VON BSV ZU... WILLIAMS
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Tatsächlich handelte sich also beim Williams Verlag um keinen anderen als den vormaligen Bildschriftenverlag (BSV), denn der
kränkelnde BSV war von der ebenfalls international agierenden Williams Communications Group übernommen worden, die zum
Zeitpunkt der Übernahme 18 Verlagsunternehmen in Westeuropa betrieb und ihrerseits eine 100%ige Tochter Warner Comm-
unications Company, New York, war (Quelle: Der Neue Vertrieb). Daß das ganze Verlags-Imperium gleichzeitig zum Mischkonzern
Kinney Services Inc. gehörte, zeigt, wie komplex verflochten die dahinter stehende Organisation war.
Und die neue Organisation, ab Frühjahr 1973 unter der Ägide des neuen Verlegers Klaus Recht, krempelte den alten Bild-
schriftenverlag gehörig um:
BSVs komplettes Verlagsprogramm kam auf den Prüfstein und nur ein kleiner Teil der Publikationen überlebte die Neuausrichtung.
Und auch die fortgeführten Publikationen kamen nicht ungeschoren davon. So entfielen im Frühjahr 1973 einige Ausgaben ver-
schiedener Serien, darunter das in Deutschland nicht erschienene (aber in Holland veröffentlichte) Horror #7 (hätte planmäßig
im Februar 1973 erscheinen müssen); die beiden Funny-Comics Dick + Doof #131/132 entfielen ebenfalls (wären planmäßig
im Februar und März 1973 erschienen) etc.
Noch härter traf es die Superhelden-Titel: Zwar wurden Spinne und Fantastische Vier fortgeführt, aber alle übrigen Super-
helden-Titel wurden im Januar 1973 eingestellt.
Zudem erschienen in dieser Phase der Neuorientierung in den Monaten Februar und März 1973 keine Hefte der beiden "Super-
helden-Flagschiffe": Nach den letzten beiden Ausgaben von Spinne und Fantastischen Vier im Januar 1973 mit BSV-Logo
(HIT Spinne und FV #243) erschienen erst ab April 1973 wieder Hefte der beiden Serien (Spinne #246 und FV #244), dann
bereits mit dem neuen Williams-Logo auf dem Cover.
Beredtes Zeugnis für diese "Auszeit" sind jeweils 2 fehlende Storys bei Spinne und Fantastischen Vier:
sofort offensichtlich bei den in Deutschland nicht erschienen HIT Spinne-Ausgaben #244/245 (in Holland als
Spinneman Classics #65/66 veröffentlicht) und weniger auffällig, da ohne eine solche Lücke in der Nummerierung, bei den
Fantastischen Vier: in Deutschland entfielen die in Holland als De Vier Verdegigers #65/66 veröffentlichten Storys, die deut-
sche Zählung wurde deswegen aber nicht unterbrochen.
Neben der Neuausrichtung des Verlagsprogramms dürfte der entscheidende Grund für die Fehlmonate im Frühjahr 1973 in der
in der Aufgabe des Direktvertriebs gelegen haben, denn ab April 1973 vertrieb BSV/Williams seine Publikationen über den
Zeitschriften-Großhandel:
'Die Umstellung auf den Vertrieb über den ZZ-Großhandel [Anmerkung: gemeint ist die Verlagsunion]
ist für Ende März (z. T. April) angekündigt.
"Um kein sofortiges Überangebot auf dem Markt auszulösen", so heißt es in der Information weiter, "wird das
bestehende Verlagsprogramm um 70% reduziert. Gestartet wird mit den bisher besten Verkaufstiteln. Eine
Erweiterung der Objektpalette erfolgt von Fall zu Fall. Das Direktgeschäft wird von dem bestehenden
Außendienst bis 31.3.1973 abgewickelt".'
(Quelle: Der Neue Vertrieb)
Doch die Programm-Reduzierung sollte nur die Vorbereitung auf den Neustart der Marvel Serien im Januar 1974 darstellen, für
den das Programm wieder deutlich erweitert wurde. Im Rückblick war 1973 für BSV/Williams nur ein Übergangsjahr, in dem
neue Konzepte entwickelt und vor allem die Vorbereitungen für eine Programm-Offensive im Bereich Comics getroffen wurden.
Punkto Marvel Comics entspricht das Cover-Layout und die gesamte Aufmachung der Hefte der ersten fünf Williams Produktions-
monate weitgehend den letzten sechs Superhelden Comics von BSV: die Hefte wurden in derselben italienischen Druckerei her-
gestellt (Poligrafico) und Layout und Seitenpapier (hier fällt vor allem das dickere Hochglanzpapier
der Umschläge ins Auge) sowie der Seiten-Umfang (36 Seiten inklusive Umschlag) und schließlich der
Heftpreis (1,20 DM) sind exakt gleich.
Zwar wurde in den Anfangsmonaten noch fleißig "am lebenden Objekt" nach dem richtigen Format
gesucht, so wurde zum Beispiel ab der 6. Produktion (06/1974) auf den Hochglanzpapier-Umschlag
verzichtet und der Heftumfang auf 32 Seiten reduziert. Aber man gab sich Mühe, mit allem was man
tat - beispielhaft zu sehen an den Korrekturvermerken des Cover-Entwurfs zu Eiserner #1 - über
solcherlei "Kleinigkeiten" pflegte man bei BSV gerne hinwegzusehen.
Das ganze Projekt wurde offensichtlich mit viel Energie und Enthusiasmus begonnen und dank Warner
mit mit einer Kapitalerhöhung ausgestattet, standen auch reichlich finanzielle Mittel zur Verfügung.
Das Ziel all diesen Aufwands war klar: Erhöhung der Auflagen und damit auch der Einnahmen aus dem
dem Verlags-Geschäft. Leider muß schon in 1974 absehbar gewesen sein, daß die von der Muttergesell-
schaft Warner Communications Company gesteckten Ziele nicht erreichbar waren.
In Konsequenz verloren die Amerikaner von Warner Communications (deren bekanntes Warner Brothers W sich in den Signets
der Williams-Hefte der ersten 9 Produktionen wiederfindet) nur allzu schnell das Interesse und man zog sich vom deutschen
Markt zurück - offensichtlich war der "schnelle Dollar" in Good Old Germany nicht zu machen gewesen...
Doch sollte dies nicht das Aus für die deutschen Marvel Comics bedeuten: der Verlagsleiter Klaus Recht kaufte die Rechte von
Warner und führte das Programm zunächst unverändert fort. Der Eigentumswechsel spiegelt sich auch in den Impressen der
Hefte wieder, denn von der 10. (Oktober 1974) bis zur 18. Produktion (Juni 1975) findet sich hier der Name Klaus Recht GmbH
(vermutlich aus rechtlichen Gründen), danach wechselte der Verlagsname wieder zum angestammten Williams-Verlag - woran sich
bis zur Einstellung der letzten Marvel Serie im Mai 1979 nichts mehr änderte.
Und wenn sich die Marvel Comics für Klaus Recht auch leider nicht mehr rechneten, so kann es seinem Williams-Verlag im allge-
meinen so schlecht nicht gegangen sein (wofür nicht zuletzt das Satire-Magazin MAD verantwortlich gezeichnet haben dürfte):
die Villa (am Schwanenwik 29) jedenfalls, in der der Verlag zwischen 1976 und 1989 residierte, befindet sich in einer der
teuersten Gegenden von Hamburg, und auch das Gebäude selbst (in dem sich heute ein Hotel befindet) macht durchaus Eindruck...
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BEDEUTUNG
VON WILLIAMS FÜR DIE DEUTSCHE COMIC-GESCHICHTE
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Sicherlich zurecht gilt die
Williams-Ära heute als die erste große Zeit der Superhelden-Comics
in Deutschland, hier kann auch
der mit seinen DC-Produkten so sehr viel
erfolgreichere Ehapa-Verlag nicht mithalten.
Man hatte sich bei Williams sehr viel Zeit gelassen für eine
sorgfältige Vorbereitung des Neustarts im Januar 1974 und das
Ergebnis dieser fast schon generalstabsmäßigen
Planung kann sich sehen lassen - zumindest im Superhelden-Bereich
war man damit punkto Qualität konkurrenzlos.
Mit einer in Deutschland bis dato nicht gekannten
Detail-Verliebtheit, redaktionellen Inhalten die das "Feeling"
der US-Marvels aufkommen ließen und einer weitestgehend
originalgetreuen Wiedergabe der US-Storys hatte Williams
wirklich etwas Besond-
eres geschaffen - Punkte, von denen ein
Bildschriftenverlag aber auch Ehapa meilenweit entfernt waren.
Und: schon die alles andere als fehlerfreien BSV-Hefte versprühen einen gewissen Charme, woran
natürlich auch die genialen Geschichten von Stan Lee, Jack Kirby
& Co. einen nicht zu unterschätzenden Anteil besitzen. Nicht
von ungefähr überholte Marvel USA den Konkurrenten DC in USA
spätestens ab Anfang der siebziger Jahre in Punkto Beliebtheit und
Verkaufserfolgen.
Und ein weiterer Punkt warum Ehapas Superhelden-Comics im
Vergleich mit Williams den Kürzeren ziehen: ein wesentlicher
Bestandteil war die Einbindung der Leser in das von Stan Lee
erdachte Comic-Universum - und Williams setzte in seinen
Heften voll auf diese
Leserbindung.
Gegen diese Punkte hatte DC selbst noch Anfang der Siebziger
nichts Gleichwertiges entgegen zu setzen, und ähnlich stand
auch
der Ehapa Verlag dar - wenngleich auch klar ist, daß Ehapa mit
seinen Superhelden-Produkten noch gutes Geld verdiente,
als die
Marvel Comics von Williams schon lange Geschichte waren.
Aber natürlich gab es aber
auch Kritikpunkte, denn nicht alles bei Williams war
perfekt. So ist zum Beispiel die Farbwieder-
gabe der ersten Hefte nicht berauschend und die Papierqualität
teilweise arg schlecht (was selbst Anhänger des "rauhen Pap-
iers" zu geben müssen). Die
Textblasen wurden vor allem anfänglich kaum tolerierbar vergrößert, um die sehr wortgetreuen
Übersetzungen unterbringen zu können und manch Übersetzung wie auch die handgeletterte Schrift
einiger früher
Ausgaben
ist grottenschlecht.
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Dennoch hat Williams in Summe
das Faszinierendste geschaffen, was es zum Thema Superhelden
Comics bis
dahin in Deutsch-
land gegeben hatte. Nicht nur die redaktionellen Ansprachen und der
Umgang mit den Lesern waren ganz im
Stil der US-Marvels gehalten. Man schuf gar ein Pendant zu Stan
Lee: Redakteur
Reinhard "Remo" Mordek
(der auch schon vor Klaus Recht bei
BSV tätig gewesen war und den
Neustart, vielleicht wie kein Zweiter, prägte), fungierte als Bezugsperson zu den
Lesern (bis zu seinem abrupten
Ausscheiden im ca.
Januar 1975), später folgte das MMT - das Mighty Marvel
Team - rund um Kirsten Isele und
Hartmut Huff
und tat ein Übriges.
Die direkte Leseransprache, vielfältige
Leseraktionen, eine
Vielzahl von (in deutschen Comics nicht alltäglichen)
Hintergrund-
Informationen und auch die ständige Aufforderung an
die Leser ihre Wünsche zu äußern - all das unterschied Williams
von
der geehrten Konkurrenz.
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WMCA
SCHWERPUNKT-THEMA: DIE RÄCHER UND MEHR
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Ein wesentliches Kernstück meiner Homepage bilden Rezensionen zu verschiedenen Williams-Serien, allen voran Rezensionen zu
den 100 Rächer-Storys (Fertigstellungszeitpunkt noch offen J), die von Williams veröffentlicht wurden. Hierzu kommen einige
ergänzende Geschichten wie die beiden ersten Avengers Annuals, (Uncanny) X-Men #45 oder auch Incredible Hulk #140,
die von Williams ausgelassen wurden aber eng mit den Rächer-Storys verbunden sind.
Die "Avengers" sind also meine ausgemachten Lieblingshelden, daher an dieser Stelle noch einige ergänzende Worte
zu dieser Serie:
Williams veröffentlichte zwischen Januar 1974 und November 1978 exakt 100 Ausgaben der
Rächer und zwar US-Avengers #1-101 (Avengers #6 wurde als einzige Story ausgelassen). Wie
in der Tabelle oben beschrieben hatte zunächst Captain Marvel den Platz als Zweitserie inne, ab
Rächer #45 wurde er gegen den Eisernen ausgetauscht.
Im Vergleich dazu veröffentlichte der Bildschriftenverlag in seiner Reihe HIT Comics nur 31
Avengers-Abenteuer, nachstehend die darin enthaltenen US-Storys:
US-Avengers #27, 28 / 34-52 / 56, 57 / 59, 60 / 66, 67 / 70, 71 / 89, 90 (ab Avengers #66
erschienen die Hefte in der eigenen Heftreihe Die Rächer).
Dies hatte natürlich bei den Rächern - wie auch bei den meisten übrigen Serien - zur Folge, daß
einige Storys "doppelt" veröffentlicht wurden (was von manchem Williams-Leser harsch kritisiert
wurde). Allerdings waren die HIT Comics der ersten Jahren ja in Schwarz-Weiß gedruckt worden und sie erreichten auch
in späteren Jahren nicht annähernd den Williams Qualitäts-Maßstab. Ein anderer gern genannter Kritikpunkt waren die
"besseren" Zeichnungen in den (späteren) BSV-Ausgaben - eine weitere Krux, an der Williams natürlich nichts ändern konnte,
bedingt durch die chronologische Veröffentlichung.
Vor allem im Rahmen der Rächer-Rezensionen werde ich nicht auf nur die einzelnen Storys eingehen, sondern ich will
vor allem auch versuchen das einmalige Flair wiederzugeben, das die Williams-Serien bis heute
ausstrahlen, indem ich die vielen Details, redaktionelle Inhalte und Veränderungen beschreibe
und mit Bildern illustrieren werde, die es im Lauf der Jahre geben sollte. Also ein wenig das
Auf und Ab der deutschen Silver Age Marvel Comics wiederspiegeln.
Allen die gar nicht genug über die Rächer erfahren können, sei die Internet-Site Avengers
Assemble! empfohlen. Dort ist wirklich (fast) alles zum Thema Avengers zu finden.
Schwieriger ist es da schon mit weiteren Quellen zu BSV oder Williams im Internet. Die hol-
ländische Site Hip Comics Online hat sich auf die niederländischen Pendents zu unseren
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HIT Comics spezialisiert. Dort finden sich, neben anderen Infos (viele davon aber in holländischer Sprache), die Cover
aller holländischen Hip- und auch die der deutschen HIT Comics.
Weitere empfehlenswerte Seiten zum Thema sind das schon erwähnte Bildschriften-Archiv (hier finden sich schwerpunkt-
mäßig Cover und statistische Informationen aller Publikationen von BSV & Williams) sowie die deutsche Ausgabe des
Unofficial Handbook of Marvel Comic Creators - der Marvelguide (hier findet sich die Datenbank aller deutschen Marvel
Marvel Comics - ein unverzichtbares Nachschlagewerk für die BSV-/Williams-Forschung!).
Ursprünglicher Artikel vom 03.06.2002
Aktualisiert und erweitert: 09.11.03 / 08.02.04 & 20.09.08
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(1)
Nicht ganz
korrekt: Taschenbuch #3
enthält die ursprünglich in TOS #85
veröffentlichte Captain America Story "The Blitzkrieg of Batroc!".
Die Story wurde in USA regulär in Deadly Hands of Kung Fu #5
zweitverwertet und findet sich da- her auch im Kung Fu Taschenbuch
wieder.
(2)
Tales
Of Suspense #78
- die einzige bei
BSV erschienene Captain America Story (verteilt auf HIT Comics
#14/16/18).
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ALL
IMAGES AND CHARACTERS TM & © MARVEL ENTERTAINMENT, LLC |
ARTIKEL
© 2002/2008 STEFAN SCHLÜTER & GERNOT ZIPPERLING
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